Von Silke Nierfeld | 23.04.2025 | Lesezeit ca. 5 Minuten

Die Tücken des Verstandes (Monkey-Mind) erkennen und überwinden

Der Verstand wird als objektiver Problemlöser angesehen – eine falsche Annahme. Seine Funktionsweise liegt in der Konstruktion eines Weltbilds und Wiederholung früherer Erfahrungen, die die Wirklichkeit überlagern. Ein tieferes Verständnis dieser Mechanismen befreit von falschen Vorstellungen und psychischen Belastungen.

Ein Affe als Symbol des Monkey Minds, des unfokussierten Verstandes

Was ist eigentlich der Verstand?

Der Verstand ist die menschliche Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, zu analysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Seine Funktionsweise beruht auf Trennung und Relativierung: Er separiert Subjekt und Objekt, Ich und Nicht-Ich, Gut und Böse. So entsteht ein Weltbild aus Einzeldingen und Gegensätzen.

Die Natur folgt einem ganz anderen Prinzip. Sie ist ein dynamisches Geflecht komplementärer Kräfte, das sich selbst organisiert (Autopoiesis), wie alle lebenden Systeme. Die Steuerungslogiken des rationalen Denkens stehen also der lebendigen Selbstorganisation entgegen. Dies drückt sich in chronischem Stress aus, unter dem nicht nur die Menschen, sondern auch die Umwelt leidet. Sie zeigt es, indem sie ihre Vielfalt verliert.

Der renitente Gast

Der Taoismus beschreibt mit einer Metapher, was im Inneren des Menschen geschieht: Der Verstand – das konkrete, konzeptuelle Denken – ist nur ein Gast im Haus des Geistes, der Quelle allen Seins. Doch anstatt sich seiner Rolle bewusst zu sein, verdrängt er durch seine rastlose Geschäftigkeit (der sogenannte Monkey-Mind) den wahren Gastgeber aus der Wahrnehmung und erhebt sich selbst zum Hausherrn. Diese Selbstwahrnehmung als handelndes Ich ist das Ego, das seine Verwobenheit mit dem Ganzen ignoriert.

Die Strategie des Verstandes ist simpel: Er entwirft einen Soll-Zustand, wie die Dinge sein sollen, während das Leben in ewigem Wandel fließt. Je verbissener der Mensch versucht, seine Vorstellungen durchzusetzen, desto weiter entfernt er sich von seinem wahren Wesen – das macht weder Freude noch Sinn.

Irgendwann macht sich in jedem Menschen Unzufriedenheit breit. Sie ist eine Feststellung dessen was ist – und nicht das Ergebnis analytischen Denkens. [Es ist also immer möglich, das Leben als Erfahrung wahrzunehmen, und die Rationalisierung zu unterlassen]. Das führt aber noch nicht zur Einsicht in die fehlerhafte Verstandesstrategie. Vielmehr wird versucht, auch Veränderungen mit einer Soll-Ist-Logik zu betreiben – was zuverlässig scheitert.

Das Leben wir nicht chaotisch, wenn wir Kontrolle loslassen. Es fügt sich vielmehr in die natürliche Ordnung der Dinge.

Elisabeth Kübler-Ross

Wie der Verstand die Wirklichkeit verzerrt:

Aufzählungszeichen#1 Begrenztheit
Der Verstand kann nur erfassen, was er mit seinen eigenen Katgegorien strukturiert. Für ihn ist Realität nur das, was er als Subjekt denken kann – ein winziger Ausschnitt der unendlichen Wirklichkeit.

Aufzählungszeichen#2 Konditionierung
Gedanken sind keine rein subjektiven Schöpfungen, sondern das Produkt kultureller, sozialer und politischer Konditionierungen. Sie sind systemisch in Form von Werte-Systeme infiltriert – ein Phänomen, das die Entwicklungstheorie Spiral Dynamics untersucht hat. 

Aufzählungszeichen#3 Illusion der Objektivität
Der Verstand glaubt, eine objektive Realität wahrzunehmen, weil er nicht versteht, wie das Geistige funktioniert: Alles, was der Mensch wahrnimmt, ist Teil seines Bewusstseins. Er sieht die Welt nicht so, wie sie ist – sondern wie er ist.

Aufzählungszeichen#4 Wiederholungszwang
Der Verstand bildet aus Erfahrungen Muster und wendet diese unbewusst immer wieder an – auch wenn die Umstände längst anders sind. Auf diese Weise verliert das Leben seine Vitalität und fortlaufende Erneuerung, es wird eine Art Dauerschleife.

Aufzählungszeichen#5 Innere Spaltung
Der Verstand arbeitet dualistisch und teilt die Welt in Gut und Böse – eine Unterscheidung, die in der Natur nicht existiert. Diese künstliche Einteilung überträgt er auch auf die eigene Persönlichkeit und erzeugt den Glauben, bestimmte Eigenschaften unterdrücken zu müssen. Alles Existierende strebt jedoch danach, sich zu entfalten. Wird dieser Prozess blockiert, kommt es unweigerlich zu inneren Konflikten.

Aufzählungszeichen#6 Verschlimmbesserung
Empfindungen werden durch den Verstand interpretiert und zu Gefühlen geformt. Um unangenehme Erfahrungen zu vermeiden, versucht der Mensch sein Leben zu steuern und zu kontrollieren – ein kräftezehrendes Unterfangen. Gerade der Kontrollzwang bringt ihn in Dysharmonie – und diese zieht ihre Entsprechungen an.

Aufzählungszeichen#7 Selbstsabotage 
Anstatt destruktive Verhaltensweisen zu hinterfragen, konstruiert der Verstand stets eine Rechtfertigung. So bleibt die eigentliche Ursache verborgen – und mit ihr die Möglichkeit echter Veränderung.

Aufzählungszeichen#8 Überheblichkeit 
Der Verstand neigt dazu, die eigene Sichtweise zu verabsolutieren und sich über andere zu erheben. Es hat aber jeder recht – innerhalb seiner eigenen Wirklichkeitskonstruktion.

Aufzählungszeichen#9 Fehlende Präsenz
Da der Verstand in Trennungen und nicht in Ganzheiten denkt, springt er zwischen Vergangenheit und Zukunft hin- und her. Der gegenwärtige Moment – das ewige Jetzt – die einzige Wirklichkeit, die es gibt, bleibt ihm verborgen.

Aufzählungszeichen#10 Gedankenflut (Monkey-Mind)
Der Verstand produziert täglich unzählige Gedanken (50.000 – 70.000) – die meisten ohne Bezug zur Außenwelt. Er kann nicht zur Ruhe kommen. Frieden und Stille sind erst möglich, wenn er verstummt.

Wenn du die falschen Identifikationen (mit Dingen, die du nicht bist) wegnimmst, dann wirst du sehen, dass dein Verstand nur wie ein Spiegel ist, der nichts sagt, sondern nur reflektiert, so sollte dein Verstand funktionieren.

Sadhguru

Fazit zum Führungsbedarf des Verstandes

Das konkrete Denken trennt den Menschen von der Wirklichkeit, ohne dass er sich dieser Trennung bewusst ist. Deshalb spricht man von Erwachen, wenn deutlich wird, dass sich hinter den eigenen Überzeugungen eine unendliche Wirklichkeit verbirgt. Der Anstoß dazu kommt immer aus der Unzufriedenheit des wahren Selbst, das sein Schattendasein beenden möchte.

Der Verstand ist ein Werkzeug der Analyse, der Konkretisierung und der Zerlegung – sowie eine Instanz der Ich-Zentrierung. Es ist also kein Wunder, dass das rationale Zeitalter von technischem Fortschritt und Mechanisierung, aber auch von Umweltzerstörung, Stress, Egoismus und Konflikten geprägt ist.

Seine größte Schwäche ist die Selbstblindheit – die Unfähigkeit, eigene Unzulänglichkeiten zu erkennen. Konflikte werden nach außen projiziert, anstatt sie in der eigenen Funktionsweise zu erkennen. Und weil der Verstand mit einem kaskadierenden Abwehrsystem ausgestattet ist, blockiert er Veränderungen effektiv. Die Identifikation mit dem Denken ist das größte Übel für die Menschen, denn damit reduzieren sie sich auf die Inhalte ihres Bewusstseins, währen sie tatsächlich die Lebendigkeit sind, das Sein, in dem alle Erfahrungen stattfinden.

Insiderooms – The Essence of Transformation

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